Deutschland hat neben Holland von allen europäischen Ländern die freizügigste Einstellung zu Prostitution und Sexkauf. Das im 2004 eingeführte Prostitutionsgesetz (ProstG) hat die Sittenwidrigkeit abgeschafft und Prostitution zu einem normalen Beruf erhoben.
Seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes, zusätzlich begünstigt durch die EU-Osterweiterung, ist die Zahl der Prostituierten in Deutschland erheblich in die Höhe geschnellt – Deutschland ist zur Drehscheibe von Frauenhandel und Zwangsprostitution geworden. In Deutschland sind nach Schätzungen der Bundesregierung etwa 400 000 Frauen in der Prostitution tätig. Paulus (2014), Kriminalbeamter a.D., weist darauf hin, dass es keine eindeutigen Belege für eine genaue Zahl an Prostituierten in Deutschland gibt, da „sich das Prostitutionsgeschehen in der Geschlossenheit einer Parallelgesellschaft abspielt und staatlich nur wenig kontrolliert wird“ (ebd., S. 100). Täglich werden die Dienste von Prostituierten von über einer Million Männer in Anspruch genommen (vgl. ebd., S. 100).
80 % bis 90 % der in Deutschland in der Prostitution tätigen Frauen haben einen Migrationshintergrund. Ein Großteil der Frauen stammt aus Russland, Rumänien, Bulgarien, Slowakei, Ungarn, Tschechien, Polen und anderen Ländern Osteuropas, in denen sie geringe Chancen auf Bildung und Gelderwerb haben. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden in Europa jedes Jahr ca. 500 000 Frauen und Mädchen zur Prostitution gezwungen!
Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere und auch kein Gewerbe, sondern ein Lebensstil, dessen Geschäfte nach wie vor von illegalen und kriminellen Strukturen gekennzeichnet sind und der nach eigenen Gesetzen und Regeln funktioniert, zu Lasten des Großteils der in der Prostitution tätigen Frauen. Deren prekäre Lebens- und Arbeitssituation ist meistens gekennzeichnet von fehlender rechtlicher Absicherung, Stigmatisierung, mangelnder Sprachkenntnisse, Abhängigkeiten und Zwangslagen, körperlichen Beschwerden, Traumatisierung und Gewalterfahrungen.
Weigelt kommt durch empirische Untersuchungen bereits 1989 zu dem Schluss, dass die Ausübung der Prostitution Repräsentant sozialer und ökonomischer Unterdrückung von Frauen ist. (Vgl. Weigelt 1989, S. 75 f.)
Auch Rachel Moran, eine ehemalige Prostituierte aus Irland vertritt die Haltung, dass Prostitution eine hochgradig geschlechterspezifische Form der Unterdrückung ist (vgl. Moran, 2014, S. 10).
Beschäftigen wir uns mit Erfahrungsberichten von Frauen, die in der Prostitution tätig waren und den Ausstieg geschafft haben, so kommen wir sehr schnell zum Ergebnis, dass der Kauf von Sex und das Benutzen einer Frau zu sexueller Befriedigung Gewalt an dieser Frau ist. Und es ist meistens die Fortsetzung von Gewalterfahrungen in der Biografie der Frauen, wie es vom Bund Deutscher Traumatherapeuten in einem Appell gegen Prostitution beschrieben wird (http://www.trauma-and-prostitution.eu/der-appell/).
Wir sind der Auffassung, dass der Umgang mit Prostitution, die Haltung, die der deutsche Staat zu dieser Thematik vertritt, dem Gedanken der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau widerspricht und diesem entgegenwirkt. Die Konsequenz für eine Gesellschaft, in der Sexualität und Frau als käufliche Ware gehandelt wird, kommt zum Ausdruck im Konsum von Pornographie, in der Veränderung der Nachfrage nach immer brutaleren und perverseren Arten der Befriedigung (Flatrate-Bordelle, Gang-Bang Partys, minderjährige Prostituierte).
Das Anbieten einer sexuellen Dienstleistung ist nicht abzukoppeln von der Frau, die sie anbietet und von ihrer Seele, die dadurch krank gemacht und zerstört wird. Frauen, die in der Prostitution tätig sind und behaupten, dass sie es freiwillig tun, dissoziieren die Männer und ihrer Taten, weil niemand mit einer Psyche ausgestattet ist, die den Gewalttaten der Prostitution Stand hält (vgl. Rahm 2014, S. 13).
Die jüngsten Geschehnisse in der Silversternacht in Köln und anderen Städten spiegeln den herrschenden Umgang mit Demütigung von und sexualisierter Gewalt an Frauen und die hohe Toleranz unserer Gesellschaft demgegenüber wieder. Wie könnte es sonst sein, dass ein solch geplanter Übergriff auf hunderte Frauen in aller Öffentlichkeit vor den Augen dutzender Polizisten geduldet wird ohne dass eingeschritten wird und die Frauen geschützt werden? Wie könnte es sonst sein, dass die Sicherheit von Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft davon abhängig gemacht wird wieviel Armlängen Abstand Frau hält?
Wir wollen nicht untätig zusehen, wie Mädchen und Frauen in unserer Gesellschaft zum Opfer von Gewalt und Missbrauch werden! Prostitution, sexualisierte Gewalt und Missbrauch stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Diesen gilt es zu erkennen und dagegen anzukämpfen für ein Leben in Freiheit und Würde für alle Frauen!
Literaturverzeichnis
Moran, Rachel (2013). Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution. Marburg: Tectum Verlag.
Moran, Rachel (2014). In: Kofra. Zeitschrift für Feminismus und Arbeit. 151/152, S. 8-12.
Paulus, Manfred (2014). Organisierte Kriminalität – Menschenhandel. Tatort Deutschland. Ulm: Verlag Klemm+Oelschläger.
Rahm, Tanja (2014). Rede bei der Feminism Conference in London 2014. In: Kofra. Zeitschrift für Feminismus und Arbeit. 151/152, S. 12-14.
Weigelt, Gela (1989). Prostitution: Die älteste Profession oder Oppression der Welt?. Eine vergleichende empirische Untersuchung über Prostituierte und andere berufstätige Frauen. München: Profil Verlag.